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Konzertreise Kroatien
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Projekt ,,Urmas Sisask"

Bericht Deutscher Chorverband [990 KB]



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Im Rückblick



Estnische Chormusik zu Weihnachten

Gudrun Helm


In der Kulturlandschaft der „Events", die sich zur Weihnachts- und Neujahrszeit von Hamburg bis Wien üblicherweise mit klassischem Repertoire wiederholen, ragt ein musikalisches Ereignis heraus, das vom Männer-Kammerchor Wiesbaden-Sonnenberg, dem Vokalensemble für Hohe Stimmen arSoni wiesbaden, der Capella ad Montem Solis und den Solisten Ursula Thies (Sopran) und Thilo Busch (Tenor) unter Leitung des Dirigenten Holger Wittgen zum 4. Advent in der Ringkirche Wiesbaden und der Katholischen Kirche Herz-Jesu Sonnenberg vorgetragen wurde. In der Musikzeitschrift „Neue Chorzeit“ wurde die aufgeführte „Estnische Chormusik zu Weihnachten“ bereits im ihrem Dezemberheft unter dem Titel „Kosmische Harmonien" vorgestellt. Ein begeistertes Publikum bestätigte diese Einschätzung.

Komponisten des Weihnachtskonzerts waren Urmas Sisask, der 1960 im estnischen Rapla geboren wurde und seit Ende der achtziger Jahre mit geistlichen Werken hervorgetreten ist, und Morten Lauridsen, der 1943 geboren, als dänischer Einwanderer in den USA aufgewachsen und für seine Vokalmusik 2007 von der amerikanischen Regierung mit der höchsten Künstlerauszeichnung, der „National Medal of Arts“ , gewürdigt worden ist. Beide Komponisten sind hierzulande kaum bekannt, umso überraschender deren Musik, die ähnlich dem Klassiker Bach in eine neue tonale Welt zu führen scheint.

Eröffnet wurde das Konzert mit Sisasks „Benedicamus Patrem" op. 90 für Frauenchor, Sopran-Solo, zwei Trompeten und Orgel. Der musikalische Beginn erscheint zunächst mit seinen Akkordschichtungen fremd und ungewohnt, so dass der traditionelle Zuhörer zeitgenössische Musik gefürchtet haben mag. Aber hier zeigt sich bereits das hohe Können des Komponisten, er leitet über in vertraute Klangwelten und verbindet sie in unerwarteter Weise. Kein Zweifel, dass dies von den Vortragenden, voran „arSoni", besondere stimmliche Leistungen abverlangt hat, zumal sich die Partitur teilweise bis zu acht Stimmen auffächert. Mit diesem ausdrucksstark präsentierten Einstieg war der musikalische Boden für die beiden weiteren Werke von Sisask bereitet.

Es folgte sein „Benedictio" für Gemischten Chor a-capella. Hier konnte sich das Zusammenspiel beider Chöre in wundervoller Weise zeigen. Einmal der Männer-Kammerchor stimmführend, dann arSoni Akzente setzend, in der ganzen Bandbreite vom Piano bis zum Fortissimo und im Duktus Sisasks rhythmisch geprägt. Thematisch („Benedicat vos omnipotens deus") mit Wiederholungen, die nie ganz identisch sind sondern weitertragen in neue, hörbar spannende Variationen und insoweit kompositorisch minimal-art anklingen lassen.

In das Konzert, als „Musikalisches Adventsgebet zum 4. Advent“ ausgewiesen, waren Betrachtungen zur Weihnachtsgeschichte von Pfarrer Dr. Sunny Panitz (Ringkirche) und dem Vertreter des Pfarrgemeinderates Thomas Jünger (Herz Jesu Kirche) eingebettet, die zugleich auf das nachfolgende Weihnachtsoratorium von Sisask hingeführt haben.

Das „Jõuluoratoorium“, op. 39 von 1992, ist nach Sisask ein „Weihnachtsoratorium für Männerchor, Sopran- und Tenor-Solo, Oboe, Trompete, vier Blockflöten, Cello, Kontrabass, Klavier, Schlagwerk, Cembalo und Orgel". Damit ist fast schon das ganze musikalische Programm dieses Oratoriums beschrieben. Es sind die vokalen und instrumentalen Soli und Tutti, deren überraschende Wechsel über 21 Partien und die vielen beeindruckenden Piani und Forti, die dem Zuhörer gleichsam eine „kosmische Harmonie" von Tönen und Rhythmen präsentieren.

Kennzeichnend ist schon der musikalische Anfang: Von einer Oboe wird das Thema in den Raum getragen, ein fließender, verführerischer Klang wie bei Debussy. Dann folgen leise beginnend Trommeln, die hinführen zum „Aleluia“ des Chors, das wiederum nach einer instrumentalen Wiederholung das Eingangsthemas durch Oboe und Orgel einmündet in einen von Einzelstimmen und Chor gesprochenen Text der Weihnachtsgeschichte nach Lukas (2, 8 - 14), dramaturgisch immer lauter werdend bis zum Fortissimo: „ ...die lobten Gott und sprachen“, vom Chor dann mit dem „Gloria" übernommen und weiter gesteigert bis zum ersten, festlichen Höhepunkt durch Solisten, Chor und allen Orchesterstimmen im „Et in terra pax" („Und Friede auf Erden"). Nach diesem kompositorischen Prinzip folgen weitere, festlich musikalische Tutti und Fortissimi. Dazwischen thematisch weiterführend die Partien der Solisten: voller Brillanz das weihnachtlich anmutende „Deus Dominus“ („Der Herr ist Gott“) der Sopranistin Ursula Thies und des Tenors Thilo Busch, um nur einen ihrer gesanglichen Beitrage zu erwähnen. Oder aus dem instrumentalen Bereich herausgegriffen: Die Flötensoli oder die Ensembleleistung aller Orchesterstimmen.

Es versteht sich, dass das Oratorium mit einem vokalen und instrumentalen Feuerwerk „Laetentur coeli“ („Der Himmel freue sich") abschließt, wobei Sisask wieder mit einem besonderen Ausklang überrascht. Nach einem immer leiser werdenden „Aleluia" greift die Oboe leise die Melodie auf, das Flötenterzett übernimmt und verliert sich im Raum. Dem folgt in die Stille hinein, wie das Aufblitzen eines Sterns, der Klang eines Glöckchens, mit dem das große Oratorium endet.

Nach dieser musikalisch nachhaltigen Musik von Urmask Sisask das Konzert mit einem weiteren Lied ausklingen zu lassen, könnte fast als Wagnis anmuten, wenn nicht mit Morten Lauridsens „O Magnum Mysterium“ ein kongenialer Schlusspunkt gesetzt worden wäre. Und es scheint, als ob Lauridsen die letzten Sentenzen des Oratoriums aufgreift und in einer ruhig fließenden Harmonie mit den Stimmen beider Chöre das weihnachtliche Wunder aufleuchten lässt. Dies gelingt auch durch eine varierte Aufstellung der Chöre, bei der die Sänger/innen in voller Breite des Kirchenraums in einer Reihe auftreten, wobei korrespondierenden Frauen- und Männerstimmen (Sopran/Tenor, Alt/Bass) nebeneinander und dennoch wieder in kleineren Gruppen gemischt stehen, was den Kirchenraum mit einer überraschenden Klangfarbe ausfüllte.

Gleichzeitig war dies auch ein beeindruckendes Schlussbild eines herausragenden Chorensembles, das unter der musikalischen Leitung seines Dirigenten Holger Wittgen eine Konzertleistung auf hohem Niveau erreichte.

Dass dieses Konzertereignis trotz latenter Ebbe im Kulturetat von der Stadt Wiesbaden und dem Ortsbeirat Wiesbaden-Sonnenberg bezuschusst worden ist, stimmt versöhnlich. Ein Dank ging daher auch an die für den Oberbürgermeister anwesende Schuldezernentin Dr. Rose-Lore Scholz und an die Vertreter des Ortsbeirates.

Musikerfüllt mag der eine oder andere Konzertbesucher durch das verschneite Wiesbaden nachhause gegangen sein und vielleicht bedauert haben, dass dieser lokale „Event" so schnell nicht wieder hörbar sein wird. Eine ebenso erwähnenswerte Aufführung des Weihnachtsoratoriums eines estnischen Chors ist im Übrigen bei Antes Edition Classics erschienen (BM-CD 31.9061).





Herz-Jesu Sonnenberg

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Ringkirche

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